Thailand Blog 2014

Thailand Blog von Brigitte Halenta, Autorin

THAILAND war im Winter 2014/15 für vier Monate mein Schreib-Exil. Große Teile meines Romans DAS LETZTE WORT HAT DOROTHEE habe ich dort geschrieben. Für meine Freunde in Deutschland habe ich einen wöchentlichen Blog geschrieben:

02.10.2014

Meine Vorfreude steigt. Es sind nicht einmal mehr drei Wochen, denn am 23.10. fliege ich schon nach Bangkok. Das Apartment mit Blick über das Meer im 12. Stock, das ich schon im letzten Jahr gemietet habe, ist bestätigt, und mein Lieblingsrestaurant in Hua Hin, das SAIBOO, ist an einem anderen Ort endlich wieder eröffnet.
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09.11.2014

V o r r e d e

Ich habe noch nie einen Blog geschrieben. Heute fange ich damit an. Letzte Jahr war ich drei Monate in Thailand, Hua Hin, von Anfang Dezember bis Anfang März, und habe jeden Tag einen Tweet geschrieben, der auch von Twitter nach Facebook weitergeleitet wurde. Wie sich später herausstellte, fürchtete sich mindestens die Hälfte meiner Freunde und Bekannten vor Twitter und erst recht vor Facebook und hat deshalb nichts mitgekriegt. Wer jetzt mitleidig den Kopf schüttelt, möge bitte bedenken, dass ich, sowie eine Vielzahl meiner Freunde, einer Generation entstammen, in der man mit einem elektrischen Schalter etwas EIN oder AUS stellen konnte – mehr nicht, und so gefährliche Möglichkeiten, wie dass man mit einem einzelnen Fingertip total durchsichtig wird für böse Menschen, die einen nur ausnutzen und manipulieren wollen, oder gar Rechnungen über astronomische Summen schicken, die echt aussehen, es aber nicht sind, die existierten natürlich auch nicht. Wahrscheinlich gab es damals überhaupt noch keine bösen Menschen.
Deshalb werde ich in diesem Jahr von November 14 bis März 15 jede Woche einen neuen Text über mein Leben und Schreiben in Hua Hin auf m e i n e Webseite stellen. Den Freunden, die einen Computer oder ein Tablet besitzen und sich nicht sicher sind, ob sie meine Website finden und was sie dann machen müssen, habe ich es erklärt:

Einfach hier klicken:
https://brigittehalenta.de/website/kennenlernen/

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Du bist ja mutig, sagte eine gleichaltrige Freundin in Lübeck zu meinen Reiseplänen, ich würde mich das nicht mehr trauen. Ich bin nicht mutig. Früher hatte ich ein ganzes Leben zu verlieren, heute nur noch eine sehr überschaubare Spanne Zeit. Aber ich bin ängstlich, ob mir die Vorsehung wieder so eine gute Zeit schenkt wie letztes Mal, denn mein Körper hat häufig anderes mit mir vor, als ich mir so vorstelle. Er braucht mehr Rücksichtnahme als früher, manchmal auch Geduld und auf jeden Fall jede Menge aufmerksame Zuwendung. Soll er haben!
Ich habe wochenlang eine intensive Vorfreude gehabt auf die Wiederholung meiner lustdurchlässigen, bis auf die Knochen erwärmten Existenz in Hua Hin: abwechselnd Schreiben und Meer, schlafen und essen und am Abend angenehme Menschen und Billard. Aber so einfach ist der Wechsel vom novembertrüben Alltag in Lübeck ins Paradies des leichten Lebens dann doch nicht – jedenfalls nicht für mich und meine zweifelnde Seele. Selbst mit einem Zehnstunden-Flug habe ich mir das Paradies noch nicht verdient, wahrscheinlich weil ich die meiste Zeit geschlafen und mich wohlgefühlt habe. Kaum in Bangkok gelandet fängt mein Hals an zu kratzen. Selbst heimtückischen, multi-nationalen Erregern aus der Klimaanlage des Flugzeugs würde ich etwas mehr Inkubationszeit einräumen. Nach vier weiteren Stunden im superbequemen Bus nach Hua Hin, die ich in angeregter Unterhaltung mit meinem Sohn verbringe, kann ich fast nicht mehr sprechen und habe Schluckbeschwerden. Am Abend bekomme ich Fieber.
So verbringe ich meine erste Woche in Hua Hin, die, in der ich am Strand Luftsprünge machen wollte vor Freude, wieder hier zu sein, mit hohem Fieber im Bett im klimatisierten Apartment. Am Ende der Woche ohne eine Besserung, im Gegenteil, es geht mir irgendwie immer schlechter, gehe ich mit meinem Sohn ins Bangkok Hospital, das ich von meinem Balkon aus sehen kann. Sie untersuchen mein Blut, stellen massive bakterielle Erreger fest und vor allem einen Sodium-Mangel. Das ist kein Wunder, so wie ich geschwitzt habe. Sodium ist das englische, in Asien gebräuchliche Wort für Natrium. In unseren gemäßigten Breiten bekommt kein Mensch einen Natrium-Mangel, außer Leistungssportler, die dann zur Vorbeugung isotone Getränke zu sich nehmen. Die Natriumkonzentration im Körper darf nämlich nur wenig schwanken, weil sonst die Übertragung von Nervenmustern gestört wird, und dann geht gar nichts mehr. Ich verbringe die Nacht im Bangkok Hospital an drei Tröpfen: Ein Antibiotikum, ein Kreislaufmittel und ein Riesenbeutel Elektrolyte. Danach geht es mir viel besser. Aber ich bin noch lange nicht über den Berg. Geschrieben habe ich in dieser Woche kein Wort, nicht mal darüber nachgedacht.
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16.11.2014

2 - Meine Lebensgeister regen sich wieder

Noch ist Regenzeit. Letztes Jahr bin ich erst im Dezember gekommen, zu Beginn der schönsten Jahres, dem thailändischen „Winter“ mit den kühlsten Temperaturen. Ich erinnere mich, dass ich bei einer Nachttemperatur von 16° gefroren habe, und dass alle Thais gejammert haben, wie kalt es sei. Jetzt herrschen noch hohe Tagestemperaturen bis 34° bei einer Luftfeuchtigkeit um die 90%. Lübeck hat heute 95% Luftfeuchtigkeit, aber das kann man nicht vergleichen, denn der große Unterschied liegt beim sogenannten Taupunkt, der beträgt hier 24 und in Lübeck 4. Deshalb ist es in Lübeck wahrscheinlich nur kalt und ungemütlich, und hier ist es schwül. Die täglichen Regenstürze bringen wenig Abkühlung, denn zwischendurch scheint die Sonne und heizt alles wieder auf.
Ich habe eine Woche im Schongang hinter mir. Noch nehme ich ein Antibiotikum, aber die Lebensgeister regen sich wieder. Zum Beispiel beschäftigt mich die Frage, ob meine Vorstellung, dass alle Maßnahmen zum Schutz gegen Kälte emotional positiv besetzt sind, meine kulturelle Prägung ist. Alle entsprechenden Wörter vom Dach über dem Kopf, bis Ofen, Wärme, Pullover, Schal, Grog, Tee, Badewanne und Bett erzeugen eine Gefühlsqualität von behaglich, heimelig und gemütlich. Was ist dagegen ein Air conditioner! Ein Sonnenschirm! Ein Freund, Ritchie Newton, erzählt gerade auf Facebook, dass er auf einer unerträglichen heißen Kinderkrankenstation hier in Thailand für jedes Kind einen eigenen kleinen Ventilator gekauft hat.
Die liebe Sonne scheint, sagte man in meinen Kindertagen zu mir. Ich glaube, das ist eine Attribution, die würde hier keinem Kind einfallen. Die Sonne ist ein gefährlicher Gegner, vor dem man sich schützen muss. Hier in Hua Hin geht die Sonne übrigens auf der falschen Seite unter, nämlich über den Bergen. Ginge sie über dem Meer unter, hätte sich am Strand für den Sonnenuntergangstourismus bestimmt ein Restaurant neben dem anderen etabliert. So ist der kilometerlange Strand nahezu unbebaut. Aber jeden Morgen geht die Sonne über dem Meer AUF und außer mir guckt keiner hin.
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23.11.14

3 - Wie wirklich ist die Wirklichkeit? (Watzlawick)


Ich schreibe wieder! Was sich ein bisschen so anfühlt, wie ich lebe wieder. Das halbfertige Manuskript meines Romans „Das letzte Wort hat Dorothee“ fremdelte nicht. Auch wenn ich in den letzten Wochen nicht geschrieben habe, in Gedanken habe ich die Geschichte immer weitergesponnen. Die Faszination dieses Stoffes hat mich, seit sie aus diffusen Phantasien auftauchte, nicht verlassen. Das ist nicht mit jedem Stoff so.
Es geht um das Verhältnis von Wahrheit und Wirklichkeit mit der vertrackten Frage: Ist das Wirkliche wahr und das Wahre wirklich? Da kommt eine junge Frau in eine Situation, die sie zwingt, ihr ganzes Leben neu zu erfinden, und mit jedem Tag, den sie dieses erfundene Leben lebt, wird es wirklicher.
Mit dem Fernsehen erleben wir alle täglich diesen Prozess. Die Wirklichkeit verschwindet hinter der scripted reality. Aber auch einen Roman zu schreiben spiegelt genau diesen Vorgang. Er ist pure Fiktion, aber wenn er zwischen zwei Buchdeckeln (oder meinetwegen auch als fertiger Text auf dem Reader) vorliegt, hat er sich in etwas Wirkliches verwandelt. Jedes denkbare Mischungsverhältnis von fiction und facts ist in der modernen Welt möglich. Nicht die Unterscheidungsmöglichkeit ist heute das Problem, sondern die Indifferenz. Ficts oder faction?
Vom Abstrakten zum Konkreten: Der wichtigste Einrichtungsgegenstand in den Tropen ist neben dem Bett der Kühlschrank. Was da nicht alles rein muss: natürlich alle Medikamente, der Eyeliner, der Nagellack und die Nachtcreme, die angebrochenen Tüten mit Walnüssen und Rosinen fürs Müsli, ohne Frage das Brot und Obst, das länger als zwei Tage essbar bleiben soll. Daran gewöhnt man sich schnell.
Was mich freut: Ich fühle mich allmählich wieder gesund. Das fürchterliche Schwitzen, das zum Kranksein gehörte, ist vorbei, ich kann die Wärme wieder genießen. Ich habe angefangen, die Routine vom letzten Jahr wiederaufzunehmen mit einem morgendlichen Bad im Meer noch vor dem Frühstück. Zwischen acht und neun ist die Sonne noch milde, oft in Dunstschleier eingehüllt, und ich teile den Strand nur mit ein paar joggenden Europäern. Die wenigen Sonnenanbeter (es ist immer noch nicht Saison), die den Rest des Tages dann auf ihren Liegen schmoren, kommen genauso wie die Kitesurfer wegen des vielfältigen Nachtlebens in Hua Hin erst später am Tag. Und was mich auch noch freut – das Wetter scheint sich zu ändern. Schon seit einer Woche kein Regen, die Luftfeuchtigkeit nimmt ab (nur noch 65%, und der Taupunkt ist mächtig gefallen! München hat heute 98%, sagt meine Wetter App), und der allgegenwärtige kräftige Wind aus Nord freut nicht nur die Surfer, sondern sorgt auch für angenehme Kühlung.
Zum Schluss noch ein Foto von Hua Hins berühmten Bahnhof.
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30.11.14

4 - Königlicher Palast weit entfernt von den Sorgen


Noch ein Nachtrag zu dem Foto vom Bahnhof in Hua Hin letzte Woche: Der Bahnhof ist neunzig Jahre alt, hat mir ein Freund geschrieben, der das Foto bei Facebook gesehen hat. Er stammt aus der Königszeit von Rama VI. Aber es war sein Vorgänger, Rama V., der dem deutschen Ingenieur Karl Doering den Auftrag für das Eisenbahnnetz in ganz Thailand gegeben hat. Eigentlich war der Bahnhof der Empfangs-Pavillon der thailändischen Königsfamilie, wenn sie mit der Eisenbahn anreiste. Seit 1926 dient der Palast Wang Klai Kangwon am Meer (übersetzt: königlicher Palast weit entfernt von den Sorgen) als Rückzugsort vor der Hitze Bangkoks.

Ich war sehr fleißig in dieser Woche. Das 11. Kapitel ist fertig. Es gibt ein paar Antworten auf die Frage der letzten Woche: Wie wirklich ist die Wirklichkeit, indem es Grenzen aufzeigt. Zum Beispiel diese, dass jeder seine subjektive Wahrheit hat, und die verschiedenen Wahrheiten passen häufig überhaupt nicht zusammen. Das muss man hinnehmen. Wenn es dabei um Völker geht, endet es oft im Krieg. Eine andere, nicht diskutierbare Grenze setzt der Tod, oder seine Vorboten, wie sie sich in der Verletzbarkeit des Körpers zeigen. Krankheit und Schmerz schaffen immer ihre eigene, universal kommunizierbare Wirklichkeit.

In Hua Hin gab es die ganze Woche kein Tröpfchen Regen, obwohl es am Himmel manchmal so aussah, als braue sich etwas zusammen. Die Regenzeit scheint endgültig vorbei zu sein. Aber noch ist es für meinen Geschmack ein bisschen reichlich heiß, 34° zwischen 11 und 3 Uhr. Erst ab halb 5, wenn der Strand schon fast im Schatten liegt, gehe ich wieder hinunter ans Meer, bade und laufe im Badeanzug eine 40-Minutenstrecke, immer mit den Füßen in den auslaufenden Wellen. Die Nacht kommt früh und schnell nach Hua Hin. Um halb sechs fängt es an zu dämmern, der Wind legt sich schlafen, es weht nur noch ein schwaches Lüftchen, am Strand sind nur noch vereinzelt Menschen unterwegs und allmählich gehen an Hua Hins Küste die Lichter an. Um sechs ist es richtig dunkel, und wenn es ein klarer Abend ist, dann erstrahlen an der Horizontlinie des Meeres wie eine unwirkliche Theaterkulisse die drei beleuchteten Kriegsschiffe, die dort auf Reede liegen, um den König zu beschützen, wenn er in Hua Hin in seinem Palast, weit entfernt von den Sorgen, weilt. Schon nach Eintritt der Dämmerung ist der Mond zu sehen, die Sterne kommen später. Wenn es ein zunehmender Halbmond ist wie in dieser Woche, dann steht er nicht am Himmel, sondern liegt gemütlich auf dem Rücken.

Und hier ein Foto von Hua Hin bei Nacht – leider ohne Mond.
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07.12.14

5 - Eine Versicherung gegen alle Wechselfälle des Lebens

Die vergangene Woche stand im Zeichen des königlichen Geburtstages. Der König wurde am 5.12.2014 88 Jahre alt. Je näher der Festtag rückte, umso gelber wurde die Stadt. Gelb ist die Farbe des Königs. Überall aufwendig geschmückte Fassaden und Lichtergirlanden um jeden Baum. Die Thais trugen gelbe T-Shirts. Wenn mir die Farbe stehen würde, hätte ich mir auch eins gekauft.

Aber ich wollte heute etwas über 7-11 erzählen (sprich: seven-eleven), von dem man ja in Deutschland gar nichts weiß. 7-11 betreibt, gemessen an der Anzahl der Filialen, die weltweit größte Kette von Einzelhandelsgeschäften und hat Filialen in 16 Ländern, Letzteres sagt Google, aber diese Auskunft ist absolut unzureichend, den 7-11 ist viel mehr als das! 7-11 ist eine Philosophie, ein Lebensprinzip, eine Versicherung gegen alle Wechselfälle des Lebens. 7-11 ist 24 Stunden rundum die Uhr allgegenwärtig. Wenn man aus einem herauskommt und die Straße nach recht und nach links hinunterblickt, unter der Voraussetzung, dass es eine gerade Straße ist, sieht man rechts und links schon jeweils wieder das nächste 7-11. Es kann einem also wirklich nichts Schlimmes passieren, 7-11 ist immer da. Ob sie wirklich, wie alle Welt behauptet (sie selbst natürlich auch) die ganze Nacht geöffnet haben, habe ich noch nicht überprüft, weil ich nachts meistens schlafe. Dass 7-11 die Grundbedürfnisse des modernen Menschen – essen, trinken, handy – absichert, ist selbstverständlich. Die Kühlregale haben ein reichhaltiges Angebot, und während die Verkäuferin das Handy auflädt, kann man ein warmes Würstchen essen, oder ein Joghurt mit Chili und dazu ein Chang Bier trinken.
Aber man darf sich natürlich überlegen, was ein Mensch nachts sonst noch alles ganz dringend brauchen könnte. Wenn zum Beispiel schlaflosen Frauen, die einem Ratgeber folgen und etwas Nützliches tun wollen, statt sich verzweifelt im Bett zu wälzen, nachts bei der Handwäsche ihrer Dessous das Waschpulver ausgeht, können sie es sich schnell von 7-11 holen. Dort liegt es in kleine, handliche Portionen abgepackt im Regal. Wenn zum Beispiel ein beleibter Mann nachts um drei verzweifelt nach einer Sicherheitsnadel sucht, weil ihm das Gummiband seiner Schlafanzugshose in den Saum geflutscht ist, dann ist 7-11 seine Rettung. Dort gibt es kleine Päckchen mit Sicherheitsnadeln in allen Größen. Allerdings muss ich da eine persönliche Erfahrung mit diesen Sicherheitsnadeln einflechten. Sie neigen dazu, wenn der Stoff auch nur ein wenig unnachgiebiger als Thai-Seide ist, einfach einzuknicken. Aber dazu muss man gerechterweise sagen, das ist eher ein gesamtasiatisches Problem als eins von 7-11, wie mir mein Sohn nach dem Gebrauch von verschiedenen Thai-Werkzeugen berichtete.

Ich brauchte dringend eine Nadel und einen Faden, um einen wichtigen Knopf wieder anzunähen. Das Scherchen aus dem Näh-Set (gekauft bei 7-11) sieht aus wie ein Spielzeug und ist auch eins. Es sieht nur wie eine Schere aus. Wenn eine von den Thaifrauen ihre zierlichen Fingerchen tatsächlich in die Grifflöcher hereinbekommt, schneidet sie nicht.
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Dazu noch eine Beobachtung: Alles findet sich hier ins Zierliche gewendet. Vom Schmuck gar nicht zureden. Meine Brausetabletten sind halb so groß wie bei uns, das Fieber-Thermometer sieht wie ein Puppenthermometer aus und ist nur mit Lupe abzulesen, der gefüllte Schokoladenkeks hat 2 cm weniger Durchmesser als bei uns, die eingelegten Fischlein in der Dose sind so niedlich, dass sie jeder ordentliche Angler in Deutschland als untermaßig wieder ins Wasser zurückwerfen würde.
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Das war’s für heute. Liebe Grüße an alle aus Thailand, die meinen Blog lesen. Übrigens wenn man einen Reader auf seinem Rechner hat, kann man meinen Blog auch abonnieren. Dazu einfach rechts neben den Blog auf RSS-Feed klicken. Und schreiben kann man mir natürlich auch:

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14.12.14

6 - Eine durchschnittliche Frau und ein besonderes Schicksal


Ohne Ablenkungen durch die Anforderungen des Alltags geht hier das Schreiben voran, dass es eine Freude ist. Ich stelle mir vor, dass viele Männer so arbeiten, mit einer Frau an ihrer Seite, die ihnen den Alltag vom Leibe hält. Meine Luxusexistenz mit dem Blick über den Golf von Siam weiß ich wohl zu schätzen. Seit ich mich nach dem schweren Infekt bei meiner Ankunft wieder wohlfühle, habe ich zwei Kapitel geschrieben, das dritte ist schon in Angriff genommen. Die Geschichte meiner Heldin beginnt 1945, und nun bin ich bei 1990 angekommen, und sie ist 45 Jahre älter geworden. Sie heißt Marlies Hanloe, und so durchschnittlich wie ihr Name ist auch ihr Schicksal bis zu einem bestimmten Tag, an dem sie plötzlich durch eine einzige Entscheidung, die sie trifft, aus ihrem normalen Leben herauskatapultiert wird in eine neue, immer bedrohte, aber sehr beglückende Existenz.

Eine kleine Textprobe, wie das so war am Tage ihrer Geburt:

Als sie am ersten Weihnachtstag 1945 geboren wurde, war das ein besonderer Tag, alle waren glücklich. Es war die ersten Friedensweihnachten, so hatte ihre Mutter das immer erzählt. Vati war heil aus dem Krieg zurückgekommen, sie hatten einen Kaninchenbraten und Kartoffelklöße, konnten den Ofen in der Stube heizen, denn sie hatten auf Bezugsschein zwei Bäume im Bürgerpark fällen dürfen, und der dreijährige Horst bekam von Tantlene, seiner Patentante, ein richtiges Spielzeug, eine Holz-Ente zum Nachziehen. Ihre Mutter hatte gebetet, dass das Kind – das Kind war sie – sie noch in Ruhe ihren Kaninchenbraten essen lassen möchte, und ihre Hoffnung wurde nicht enttäuscht. Erst beim Nachtisch, eingemachten Mirabellen aus dem Garten, setzten die ersten Wehen ein. Fünf Stunden später war sie auf der Welt, ein Spaziergang, hatte Mutti immer gesagt, im Vergleich zu der Geburt von Horst.

Und ein Textpröbchen von 1990, dem Jahr der Wiedervereinigung:

Diese ganze Euphorie um den Fall der Mauer machte sie fast ärgerlich. Die unvorhergesehene Grenzöffnung im letzten Jahr war ein Ereignis von historischem Ausmaß, schrieben die Zeitungen, aber, sie musste es zugeben, das historische Ereignis berührte sie wenig. Sie hatte nie irgendeinen Kontakt zur Ostzone, oder wie man später sagte, zur DDR in Anführungszeichen. Nie hatte sie die Grenze passiert, und was sie darüber hörte, hatte jede Reiselust in diese Richtung im Keim erstickt. Nicht einmal in Westberlin war sie gewesen. Dresden oder Leipzig klangen in ihren Ohren immer genauso fremd und weit weg wie Lissabon oder Istanbul.

Der Fortgang meiner Geschichte entsteht beim Gehen am Meer. Bei Ebbe ist der Strand breit und flach wie auf Amrum. Gestern Nachmittag fühlte ich mich für einen Augenblick wirklich an die Nordsee versetzt: Ein tiefhängender, grauer Himmel, ein fast schon Sturm zu nennender Wind, der hohe Wellen vor sich hertrieb und die Gischt zum Kochen brachte. Aber bei 27° Luft- und Wassertemperatur verging meine Nordseeimpression schnell. Heute Morgen ist der Himmel, wie es sich für Thailand gehört, wieder blau, und das Meer benimmt sich auch wieder so touristenfreundlich, dass ich nachher baden gehe.

Ich wünsche allen eine gute Woche und verabschiede mich bis zum nächsten Sonntag.

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21.12.14

7 - Liebesgeschichten

Diese Woche habe ich im 13. Kapitel eine Liebesgeschichte geschrieben. Liebesgeschichten sind immer das Schwerste. Nie ist die Gefahr, in den Kitsch abzurutschen, größer. Das hat mit der Liebe selbst zu tun, sie will erlebt und nicht beschrieben werden. Die ganz großen Gefühle werden immer kitschig, wenn man über sie reden will. Meine Heldin, Marlies, findet mit 45 Jahren endlich den richtigen Mann. Hier eine kleine Leseprobe noch aus der Phase der Annäherung:

„Ich dachte, Sonja und du, ihr wärt ein Paar“, brachte sie mühsam heraus.
„Waren wir auch, aber wenn du das sexuell meinst, dann waren wir das schon lange nicht mehr. Wir waren wie Bruder und Schwester, Sonja ersetzte mir meine kleine Schwester. Moni! Sie ist mit vier Jahren auf der Flucht an der Ruhr gestorben. Sonja hatte zwei Brüder verloren. Das passte. Wir waren sehr gut darin, einander zu trösten, aber im Bett hat es nie geklappt. Weißt du, es gab keine Spannung zwischen Sonja und mir, wir waren uns zu nah. Begehren setzt Entfernung voraus. Mit dir ist das ganz was anderes.“
„Ich bin weit weg.“
„Du bist sehr weit weg. Und mein Verlangen nach dir ist proportional.“
Wieder fing sie sein Blick ein und ließ sie nicht los, bis sie es nicht länger aushielt und sich aus seinen Augen löste.
„Du machst mir doch, wenn ich das richtig verstehe, gerade eine ...“
„Nenn es eine Liebeserklärung.“
„Eine Liebeserklärung? – Und warum klingt das so, so geschäftsmäßig, entschuldige aber mir fällt kein anderes Wort ein.“
„Geschäftsmäßig. Das ist schon in Ordnung. Wir sind gerade dabei, einen Vertrag auszuhandeln, der die Interessen beider Seiten berücksichtigt. Was mich betrifft, so bin ich an Langfristigkeit interessiert. Guck bitte nicht so entsetzt! Marlies, ich fürchte mich vor Romantik, sie hält nie, was sie verspricht.“

Diese beiden, Marlies und Günther werden ein Liebespaar, aber heiraten werden sie nicht. Das Stichwort „heiraten“ ist die Überleitung zu dem, was ich über „Heiraten in Thailand“ berichten wollte.
Wenn ein Mann eine Frau heiratet, heiratet er ihre ganze Familie mit. Von da an ist er moralisch verpflichtet, für die neue Familie zu sorgen, sonst verliert die Frau ihr Gesicht (Das Gesicht zu verlieren, ist was ganz Schlimmes!) Um der Familie der Braut seinen Respekt zu bezeugen, zahlt er ihr ein Brautgeld, dessen Höhe sich nach dem Status der Frau richtet. Das sind die ungeschriebenen Regeln. Die Farangs, das sind die Fremden in Thailand ( meistens hört man Farlangs, weil das „R“ für Thais so schwer ist), die sich in ein hübsches Thaimädchen verlieben, fallen aus allen rosa Wolken, wenn sie dann so allmählich mitbekommen, was von ihnen erwartet wird. Jedes Thaimädchen, dem es gelingt, einen Farang ernsthaft für sich zu interessieren, hat einen dicken Fisch an Land gezogen (auch eine regelmäßige Rente von 1000 € ist für ein armes Thai-Mädchen aus dem Norden schon ein kapitaler Fisch). Ein Farang ist auch deshalb eine ansehnliche Beute, weil er meistens verlässlicher ist als ein Thai-Mann. Da oft nur buddhistisch geheiratet wird, steht die Frau, wenn ihr Thai-Mann abhaut, weil ihm die ganzen Verpflichtungen für ihre Familie zu viel werden, ohne Rechte da. Die Zahl der blutjungen Frauen, alleinstehend mit zwei-drei Kindern ist Legion. Aber das Fest der Heirat wird ganz groß gefeiert, und verschuldet die beteiligten Familien oft auf Jahre. Natürlich sieht so ein Hochzeitsfest sehr verschieden aus, abhängig davon, ob es auf dem Dorf von armen Familien gefeiert wird, oder in der Stadt von betuchten in einem der großen Hotels am Strand.
Ich verabschiede mich für diese Woche mit einem Foto von der Vorbereitung einer „reichen“ Hochzeit, und da mir gerade noch einfällt, dass im fernen Europa ja Weihnachten ist, wünsche ich allen: Fröhliche Weihnachten!
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28.12.14

8 - Hartnäckiges Scheinen

Die Weihnachtswoche ist hier vergangen wie eine ganz normale Woche. Es ist ja auch ein christliches Fest, das in einem überwiegend buddhistischen Land keinerlei Tradition hat. Weihnachten findet vor allem in den großen Hotels statt, die das Fest als ökonomischen Anlass für Galadinner nutzen.
Mit dem Schreiben geht es wunderbar voran. Es gibt keine Ablenkungen außer ich mache mir selber welche. Das Manuskript umfasst inzwischen 320 Normseiten, ich bin beim 14. Kapitel und zum ersten Mal ist das Ende abzusehen. Meine Heldin, die sich ein Leben erfunden hat, das ihr derart angewachsen ist, dass sie sich kaum noch erinnern kann, wer sie vorher war, zieht mit ihrem Liebsten, der ein Grüner ist, in den ersten gesamtdeutschen Wahlkampf. (Es wird eine Pleite für die Westdeutschen Grünen, wie wir uns erinnern, aber die beiden haben diese Enttäuschung noch vor sich.) Hier kommt wieder eine kleine Textprobe: nicht vom Wahlkampf, sondern mit einem Zitat von Nietzsche vom hartnäckigen Scheinen.

„Wenn einer sehr lange und hartnäckig etwas scheinen will, so wird es ihm zuletzt schwer, etwas anderes zu sein.“ Hartnäckig war das Schlüsselwort, daran hing alles. Ohne hartnäckiges Scheinen würde es nicht zum Sein kommen. Ihre Gedanken kreisten um diesen Satz, während sie ihren Wagen sicher durch den Verkehr der Innenstadt lenkte. Sie war mit zwei Containern Wahlkampfsendungen unterwegs zur Hauptpost. Es gab viele Wörter, die zu hartnäckig gehörten, viele davon fingen mit „un“ an wie unerschütterlich, das war ein sehr schönes Wort, aber auch unverbrüchlich, unbeirrt, unausgesetzt, unermüdlich, unentwegt. Als sie den Wagen parkte, fiel ihr noch unaufhörlich ein. Unaufhörliches Scheinen führte zum Sein. Unaufhörliche Liebe zum Glück. So einfach war das.

Nach diesem Exkurs ins Philosophische will ich noch etwas vom Alltag in Thailand erzählen und zwar vom Straßenverkehr.

Angeblich soll es hier Verkehrsregeln geben. Man muss auch einen Führerschein machen, der aber, wie man mir erzählte, vielen Thais, die auf Motorrädern herumsausen, fehlt. Seit einiger Zeit muss man auch einen Helm tragen. Da nur die Fahrer von Motorrädern bestraft werden, wenn man sie ohne Helm erwischt (kommt auch selten vor) tragen die Mitfahrer (oft die ganze Familie: Mutter+1- 2 Kinder, alternativ mit Hund, vorne und hinten drauf) natürlich keinen (der ist ja auch teuer). Wenn das Licht gerade mal ausgefallen ist – auch nicht so schlimm, die Straßen sind ja gut beleuchtet.
Die Petchkasem Road ist die große, vierspurige Durchfahrtsstraße, die Hua Hin in zwei Teile schneidet. In der Mitte ist an vielen Strecken ein von einem Mäuerchen eingefasstes Beet, ich erwähne das, weil man sich bei der lebensgefährlichen Überquerung dieser Straße in der Mitte nur schwer in Sicherheit bringen kann. Ich muss täglich über diese Straße und bin froh, dass es in meiner Nähe beim Bangkok Hospital eine Fußgängerampel gibt. Als sie letztes Jahr eingerichtet wurde, wurde Rot zuerst von etwa 95% der Autos und Motorräder überhaupt nicht beachtet. Der Lernprozess ist beachtlich, mittlerweile sind es bestimmt 60%, die auf das Signal reagieren und nicht erst auf mich, wenn ich den Fuß auf den Asphalt setze, aber von den 40% Rest rasen immer noch 20% durch und 20% halten erst, wenn ich ihnen energisch Handzeichen gebe. Auf jeden Fall fahren sie hinter mir sofort alle weiter, ob noch Rot ist oder nicht. Ich habe den Verdacht, es gibt eine geheime Absprache mit dem Bangkok Hospital, die sich auf diese Weise Nachschub an Patienten verschaffen. Bisher habe ich allerdings noch nie gesehen, dass jemand angefahren wurde.
Zurück zur Petchkasem Rd. sie ist, wie schon gesagt, vierspurig, das ist eindeutig an dem breiten weißen Strich in der Mitte der Fahrbahnen zu erkennen. Als ich zuerst mit meinem Sohn Auto gefahren bin, habe ich immer die Augen zugemacht, damit ich mich nicht dauernd erschrecke, aber inzwischen bin ich gelassener geworden, denn mein Sohn hat mir erklärt, wie das hier läuft. Es geht auf der Straße nicht, wie ich naiver Weise angenommen habe, nach Spuren, sondern nach Autobreiten. Maximal passen drei Autos, ein Tuk Tuk und zwei bis drei Motorräder nebeneinander. Übrigens hier ist Linksverkehr. Für 100 Baht fahren die Taxis, darunter viele Tuk Tuks überall hin, das sind etwas 2,50 €, die Motorradtaxis, gekennzeichnet durch ihre gelben Westen, nehmen 20 Baht. Ich bin inzwischen auch eine geübte Motorrad-Beifahrerin. Man muss in der Taille sich beweglich halten, damit man nicht beim Anfahren nach hinten wegkippt. Angefahren wird auf manchen Straßen alle 30 Meter, weil eine Bodenwelle, die den Verkehr verlangsamen soll (anderswo nennt man die schlafende Polizisten), zum Bremsen zwingt. Wer nicht so genau weiß, wie ein Tuk Tuk aussieht, findet unten ein Foto.
Und das wär’s es dann schon für diese Woche. Silvester wird hier groß gefeiert. Letztes Jahr habe ich ein sehr beeindruckendes Feuerwerk gesehen.

Ich wünsche allen einen guten Rutsch ins Neue Jahr!
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04.01.15


9 - Hörtraining und Himmelslaternen

Songkran ist das Neujahrsfest der Tai Völker nach dem Thailändischen Mondkalender und wird im April drei Tage lang gefeiert. Es ist vor allem ein Fest der Reinigung und deshalb fließt Wasser in Strömen. Leider bin ich dann nicht mehr hier, sodass ich mir von den Wasserschlachten in den Straßen nur erzählen lassen kann. Aber die Thais feiern gerne und so ein Farang(Fremden)Silvesterfest lassen sie sich auch nicht entgehen.
Zuerst waren wir im Market Village, einem großen Einkaufstempel, wo auf dem Platz davor auf einer Bühne eine Show lief, in einer Lautstärke, die ich als Körperverletzung empfand. Die Thais haben damit keine Probleme. Sie können dabei miteinander reden, und was ich total bewundere: telefonieren. Wieso das so ist, wurde mir klar als ich unten den Massen von Zuhörern viele junge Paare mit ihren winzigen Babys entdeckte – frühes Training. Wir flüchteten vor der Lautstärke an den Strand und erlebten dort den Jahreswechsel. Das Meer hatte seine Tide freundlicherweise dem Fest angepasst und stellte einen breiten Strand zur Verfügung, auf dem sich die alternative Szene tummelte. Familien saßen in großen Kreisen um ihre mitgebrachten Speisen im Sand, andere Gruppen hatten Feuerchen entzündet, Händler boten nicht nur Getränke, sondern auch die allgegenwärtigen Plastikstühle an. Je näher 12 Uhr rückte, umso heller wurde der Strand. Buchstäblich hunderte von den bei uns verbotenen Himmelslaternen wurden entzündet und schwebten über dem Meer davon. Das dann einsetzende Feuerwerk war grandios und unterschied sich von andernorts ebenso grandiosen vielleicht nur dadurch, dass die Raketen von einem Schiff, das extra zu diesem Zweck vor der Küste ankerte, gefeuert wurden. Das alles in einer warmen Nacht (der Wind schläft abends immer ein) am leise vor sich hin rauschendem Meer war auf jeden Fall kuscheliger als in Travemünde am Meer, wo ich im Nieselregen oder Flockengestöber schon manchen Silvester gefeiert habe.
Noch etwas ganz Profanes zum Thai-Alltag. Die Thais sind sehr saubere Menschen, und zuerst fällt einem Farang wie mir das bei den Toiletten auf. Sowohl öffentlich wie privat ist neben der Toilette ein Wasserschlauch mit Druckventil angebracht, oder wenigstens steht dort ein Bottich mit frischem Wasser und einer Schöpfkelle, denn man reinigt sich hier mit Wasser und nicht mit Toilettenpapier. Papier kommt in einen geschlossenen Eimer und nicht ins Klo, denn die Abflussrohre haben einen kleineren Durchmesser als bei uns und verstopfen schnell. Das finde ich nachahmenswert: jede Toilette ist gleichzeitig ein Bidet.
Anders als bei uns ist auch der Umstand, dass es im allgemeinen im Badezimmer wie in der Küche nur einen Hahn für kaltes Wasser gibt (in Luxushotels mag das anders sein), allerdings ist das Wasser nie kalt, sondern meistens lauwarm. Heißwasserversorgung für die Dusche mittels eines Durchlauferhitzers ist üblich, aber schon Luxus. ( Exkurs: Die Autos, die selbstverständliche alle eine Klimaanlage haben, haben aber keine Heizung, was, falls man in den Norden fährt, wo es empfindlich kalt werden kann, nicht so günstig ist. ) Bei heftigen, tropischen Regengüssen, wenn die Kanalisation nicht mitkommt, stinkt es aus allen Abflüssen, weshalb ich in meinem Badezimmer auf dem Abfluss am Boden einen kleinen Sandsack liegen habe und den in der Badewanne und im Waschbecken immer geschlossen halte.
Mit einem Wai, dem thailändischen Gruß (aneinander gelegte Handflächen Richtung Nase und eine leichte Beugung des Kopfes) verabschiede ich mich für diese Woche.

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11.01.15


10 - Nous sommes tous Charlie!


Die Tage fliegen, ich bade täglich in der Brandung, und mein Buch wächst. Dorothee, genannt Dodo, die dem Roman den Titel gibt (Das letzte Wort hat Dorothee), ist siebzehn, und mit jedem Jahr, das sie älter wird, wächst auch die Gefahr, dass alles auffliegt, denn je größer die Kinder werden, umso weniger kann man ihr Tun kontrollieren.

So bin ich jetzt – schreibend – im Jahre 1994 angekommen. Das ist zwanzig Jahre her, und ich musste meinem Gedächtnis mit Google auf die Sprünge helfen. 1994 wurde Helmut Kohl wiedergewählt, der Paragraph 175§ STGB zur männlichen Homosexualität gestrichen, und ein Abkommen zur Erhaltung europäischer Fledermauspopulationen beschlossen, das ist, zugegeben, etwas wahllos herausgepickt. News sind offensichtlich etwas für den Augenblick, nur die Katastrophenmeldungen unter ihnen graben sich etwas tiefer in die Erinnerung, aber auch nur etwas. Kaum jemand wird sich noch daran erinnern, dass schon 1994 vier Terroristen der Groupe Islamique Nationale in Algier ein Air-France Flugzeug entführten und vier unschuldige Passagiere erschossen, bevor sie von einer Spezialeinheit selbst erschossen wurden.

Nous sommes tous Charlie!

Psychoanalytisch gesehen stehen im Individuum Eros und Thanatos, Lebens- und Todestrieb in einem dialektischen Verhältnis zueinander. Das lässt sich auch auf die Menschheit ausdehnen. Je mehr es den europäischen Staaten gelingt, in Frieden miteinander zu leben, umso größer wird der Terror gewaltbereiter Gruppierungen. Ich glaube, dass Gewaltbereitschaft eine anthropologische Konstante ist. Schon die ersten Helden, die aus der Dämmerung der frühen Geschichtsschreibung auftauchten, waren Kriegshelden, die ihrem Ruhm dem Blut der Gefallenen verdankten. Seit dem Auftreten des Menschen im Holozän ist dieser Globus zunehmend ein einziger Kriegsschauplatz geworden. Und mir fällt nichts Tröstliches dazu ein. Bleibt nur, was Voltaire rät: den Garten zu bestellen.

Thailändische Gärten habe ich bisher noch gar nicht gesehen (Gartenanlagen um große Hotels ausgenommen), aber thailändische Felder auf einem Ausflug in die nahen Berge, die mich an eine deutsche Mittelgebirgslandschaft erinnern. Ich sah Ananas- und Zuckerrohrfelder und Kautschukplantagen. Erstaunlich war für mich, dass es so viele und Teiche gab, von denen mir Freunde versicherten, sie führten das ganze Jahr Wasser und nicht nur jetzt nach der Regenzeit.

Ich schließe mit einem Foto von oben auf eine wachsende Ananas – sie sind in allen Stadien richtige Schönheiten – und wünsche allen eine gute Woche.

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17.01.15



11 - Care for life und Hand aufs Herz

Temperatursturz im ganzen Land titelt die Zeitung für Deutschsprachige Thaizeit. Die Durchschnittstemperaturen sind um 10° nach unten verschoben. Im Norden (wo es immer kälter ist) gab es Nächte unter 10°, hier in Hua Hin an der Küste unter 20°. Ein Hilfswerk verteilt Wolldecken an Bedürftige, und die jungen Thais setzen ihre Wollmützen auf. Die Klimaveränderung ist global – was sonst.

Abgesehen von der Wetterfront ist Thailand – gemessen daran was in Paris, Syrien, Kenia und so weiter (die Reihe ließe sich fortsetzen) passiert – ein sehr friedliches und sicheres Land, und man kann nur hoffen, dass das so bleibt.

Ich lese hier die SZ und den Spiegel online und konsumiere so auch hier, in meinem Schreibparadies, jeden Tag mein Quantum an Horrormeldungen. Angesichts dieser heillosen Welt entwickele sogar ich ein Bedürfnis, in Fantasy auszuweichen, obwohl ich mit Fantasy-Literatur oder Science Fiction sonst nichts am Hut habe.

Ich stelle mir eine Welt ohne Männer vor (ein paar davor zur Gewinnung
von Samen in streng bewachten Reservaten). Eine solche Welt wäre nicht viel besser als die, die wir haben – mit dieser einen fundamentalen Ausnahme: Die massenhafte Vernichtung von Leben würde nicht mehr stattfinden, denn es sind fast immer die Väter, die ihre Kinder in den Krieg schicken, selten die Mütter; oder – wie wir es jetzt erleben – die jungen Männer selbst machen sich auf die Suche nach Abenteuern, weil sie glauben, ihre Männlichkeit nur durch „Heldentaten“ unter Beweis stellen zu können.

Es war einmal ein evolutionärer Vorteil, die eigenen Gene mit Gewalt durchzusetzen; Sex und Gewaltbereitschaft kommen aus einer Trieb-Quelle, sie sind testosterongesteuert. In unserer modernen, übertechnisierten und überbevölkerten Welt ist diese evolutionäre Errungenschaft nicht nur obsolet geworden, sie ist ins Gegenteil geschlagen: statt Leben zu produzieren vernichtet sie es. Die Erfindung eines wirksamen, leicht zu applizierenden, Anti-Testosteron könnte die Welt retten und die Spirale der Gewalt beenden. Statt Bomben auf die IS täglich eine Nebel-Wolke Anti-Testosteron über diesem sogenannten Kalifat versprühen ...


Wenn ich heute 30 wäre, würde ich mit Hilfe des Internets eine Gegenbewegung gründen: care for life, mit irgendeinem „Anker“ wie Hand aufs Herz als global verstandenes Zeichen. Helmut Schmidt sagte letztes Jahr anlässlich einer Feierstunde zum 25jährigen Gedenken des Mauerfalls, dass in keiner Verfassung irgendeiner Nation die Einhaltung des Friedens als Wert postuliert sei. Das ist erschreckend. Die Menschenrechte setzen zu ihrer Verwirklichung eigentlich Frieden voraus, das aber ist nirgendwo ausgesprochen. Es müsste ja auch mehr sein als ein nationales Bekenntnis, nämlich ein globales. – So weit meine unmaßgebliche Meinung.

In sechs Wochen ist meine Zeit hier abgelaufen, und ich hoffe, dass sich in Deutschland dann schon der Frühling ahnen lässt. Noch 7 Mal ein Sonntagsblog und nächstes Mal bestimmt mehr über thailändische Realität, literarische Fiktion und keine Fantasy.

Sonnige Grüße an alle und vielen Dank für alle Mails.

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25.01.15



12 - Music is the best

Ich beginne den Blog dieser Woche mit diesem Zitat von Frank Zappa: Music is the best – die letzte Zeile von einem längeren Vers von diesem Ausnahmemusiker, der den Jazz revolutionierte. Ich hatte einen guten Freund, der sich immer mit diesem Satz: Music ist the best verabschiedete, lachend und gewiss, dass auch alle anderen der Musik dieselbe Bedeutung zumaßen wie er. Für ihn war der Jazz Vater und Mutter zugleich, er hat ihm buchstäblich das Leben gerettet. Am Donnerstag ist er zu seiner letzten Touren mit dem Rennrad durch Thailands schöne Natur aufgebrochen. Achtzig Kilometer hatte er sich vorgenommen. Irgendwann, wir wissen es nicht, noch auf dem Hinweg oder schon auf dem Rückweg, ist er tot von seinem Rennrad gestürzt.
Alle sind geschockt, und viele Reden fangen mit dem Satz an: Gestern habe ich doch noch mit ihm ... Ich denke an ihn mit großer Trauer, er wird mir sehr fehlen!
Sehr anrührend war eine kleine Szene im Saiboo, dem Deutschen Restaurant, in dem René immer zu Abend aß. Eine junge Thailänderin, Gung, die im Saiboo arbeitet, kochte sein Lieblingsessen und stellte es nach Thai-Brauch zu der Zeit, in der René gewöhnlich zum Essen kam, zusammen mit dem Rotwein, den er liebte, für ihn nach draußen auf einen Hocker.
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Ich habe in der vergangenen Woche sehr angespannt gearbeitet, was nicht heißt, dass ich auf mein tägliches Bad im Meer verzichtet hätte, aber doch sehr konzentriert auf meine Geschichte, die, nachdem ich sie einmal angefangen habe, ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten entwickelt hat und auf ihr Ende zustrebte. Nun bleiben nur noch zwei Kapitel.
Was mich immer wieder neu fasziniert, ist die Tatsache, in welchem Ausmaß die von mir erzeugte vollkommen fiktive Geschichte ein Teil meines Lebens wird. Meine Romanfiguren kommen mir so wirklich vor, dass ich mich nicht wundern würde, wenn ich eine Mail von Marlies Hanloe in meinem Briefkasten fände; an allen Orten, an denen sie gewesen ist, bin auch ich gewesen – nicht bevor ich darüber geschrieben habe, sondern gleichzeitig mit ihr. Diese mögliche halluzinatorische Verwechslung von Literatur und Leben ist ein viel diskutiertes Thema bei Schriftstellern. Allen voran bei Peter Weiss in seinen Notizbüchern, aber auch bei Ingeborg Bachmann und Max Frisch findet sich viel dazu. „Ich erlebe nichts mehr, außer ich schreibe.“ (Frisch)
In meinem Roman habe ich den Prozess, wie aus dem Erfundenen Authentisches wird, zum Thema gemacht. Meine Protagonistin lebt ihr erfundenes neues Leben, das mit jedem Tag, der vergeht, authentischer wird. Indirekt stelle ich die Frage, ob wir uns nicht alle unser Leben erfinden, bis Schicksalsschläge, Krankheit und Tod uns die Regie aus der Hand nehmen; aber wenigstens die Deutungsmacht bleibt uns bis zuletzt.

Schreibend habe ich letzte Woche einen Ausflug an die Nordspitze Jütlands gemacht, von meinem warmen Meer hier in Thailand an die kühle Nordsee schon nahe dem Skagerrak. Ich schließe mit der folgenden kleinen Leseprobe, die einen meditativen Augenblick am Strand zwischen Gammle Skagen und Kanderstederne beschreibt.

Sie hatte die Sonne im Rücken. Ihre Beine bewegten sich so gleichmäßig und unbeirrbar, als gäbe es irgendwo einen unbekannten Motor, der sie antriebe; manchmal erwischte eine besonders starke Welle ihre Füße. Das Wasser lief auf. Der kräftige Wind kam wie die ganzen Tage vom Meer her und baute bei Flut die Brandung zu mannshohen Wänden auf. Salzige Gischt war in der Luft und drang tief in ihre Bronchien ein. Sie war unterwegs, um endlich einmal hinter den Horizont zu gucken. Niemals hatte er klarer vor ihr gelegen. Zur Linken, wo die Dünenkette in der Ferne endete, konnte sie ein schmales Stück Strand erkennen, breit genug für ihre Füße, und von dort in sichelscharfen Bogen an ihrer rechten Seite vorbei bis hinter ihren Rücken zog sich die Horizontlinie, die Meer und Himmel gemeinsam hervorbrachten. Sie musste nur, um ans Ziel zu gelangen, bis ans Ende der Dünenkette laufen, die mit bewachsenen Kuppen und sandigen Tälern dem Himmel entgegenstrebte. Manchmal fand sie Gefallen daran, den Verstand auszuschalten und sich ganz den Wahrnehmungen der Sinne und spontanen Eingebungen zu überlassen; aber selbst hier an diesem menschenleeren Strand, den sie am zweiten Tag ihres Aufenthaltes entdeckt und zu ihrem Eigentum ausgerufen hatten, waren nicht alle Regeln außer Kraft gesetzt. Auch hier hatte der Tag nur vierundzwanzig Stunden, und der Stand der Sonne sagte ihr, Mittag musste schon länger vorüber sein.

Viele Grüße und eine gute Woche!

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01.02.15

13 - Wat und Wai und ein Prosadialog

Ich habe in der letzten Woche mein vorletztes Kapitel geschrieben, das formal aus dem Rahmen fällt, insofern es ausschließlich in Dialogform geschrieben ist – ein Reisebericht, in dem zwei abwechselnd, sich auch gegenseitig unterbrechend, von ihren Erlebnissen erzählen. Ich bin mir noch nicht sicher, ob das funktioniert. Hier ein kleiner Ausschnitt. Über Rückmeldungen freue ich mich natürlich immer.

„Wir haben eine große Überraschung für euch! Ich habe zu Pat gesagt, dass sagen wir aber erst zum Schluss. Erst erzählen! Also nicht nur ihr, auch wir hatten wunderbares Wetter. Guckt mal, wie braun ich geworden bin. Es hat nur zwei Tage geregnet, ausgerechnet, als wir auf dem Hadrianswall gewandert sind. Siebzehn Kilometer, Pat wollte unbedingt den ganzen Weg auf diesen Wall von Greencarts bis ..., Patti, wie hieß der Ort noch mit dieser überfüllten Jugendherberge?“
„Once Brewed.“
„Ja, bis Once Brewed laufen. Wir waren nass wie die Katzen, und in dieser ganzen Jugendherberge gab es keinen freien Stuhl, auf den man seine nassen Klamotten hängen konnte. Ich war sowieso schon geschafft, und dann das. Ich hatte Blasen an den Füßen, Mami! Lauf mal siebzehn Kilometer im Regen mit Blasen und dazu noch bergauf, und oben auf dem Kamm wehte ein Sturm, der hat dich glatt wieder runtergepustet. Und das alles bloß wegen so’n paar alten Steinen.“
„Dodo übertreibt ein bisschen. Es hat zwischendurch immer mal wieder geregnet, aber nicht die ganze Zeit. Im Übrigen ist der Hadrianswall heute eine der bekanntesten Touristenattraktionen Nordenglands, er gehört zum Weltkulturerbe. Von Greencarts bis Once Brewed läuft man die ganze Zeit auf einem Wanderweg auf dem Wall; das ist das letzte gut erhaltene Stück des Walls, und man hat einen unglaublichen Rundblick über die Landschaft. Der Hadrianswall verlief von ...
„Patti! Wenn du jetzt anfängst, eine Vorlesung zu halten, werden wir nie fertig. Aber du musst doch zugeben, diese Wanderung war das Anstrengendste, was wir gemacht haben.“
„Für mich war das Anstrengendste, als du von den Klippen ins Meer springen wolltest.“

Für das letzte Kapitel habe ich jetzt noch vier Wochen, und ich mag mich von meiner Geschichte nicht trennen – wie immer, aber wenn sie jetzt nicht endet, wenn für meine beiden Hauptfiguren ein neuer Lebensabschnitt beginnt, endet sie nie. Also, ich bringe das fertige Buch mit zurück, da bin ich mir schon sicher.

Abgesehen von der Literatur wirft in der Realität Renés Tod seinen Schatten. So ein plötzlicher, unerwarteter Tod stellt unweigerlich die Frage nach den Versäumnissen. Aber vielleicht, denke ich manchmal, ist auch schon die Beschäftigung mit all dem, was nun nicht mehr sein wird, eine Form der Verarbeitung. Mein Freund wird erst nächste Woche eingeäschert, weil bis jetzt Vollmachten aus Europa fehlten. Der kleine Kreis seiner Freunde und Vertrauten wird sich also in einem WAT treffen, und niemand weiß so genau, was uns da erwartet. Wenn es davon etwas zu berichten gibt, werde ich das nächste Woche tun. Hier ein paar Zeilen zu dem buddhistischen Hintergrund. (Übrigens René war Agnostiker)

Aber hier in Thailand ist der Buddhismus die Staatsreligion. Hier gibt es – vergleichbar mit unseren Kirchen – Tempel ohne Zahl. Eine Tempelanlage wird WAT genannt. Es soll 400 000 Mönche geben, sie werden mit einem ehrerbietigen WAI gegrüßt (den vor dem Gesicht aneinandergelegten Händen). Die Mönche haben in der Gesellschaft eine ganz besondere Stellung, wie man an diesem Schild, das ich im Flughafen aufnahm, unschwer erkennen kann: Die Mönche kommen an erster Stelle, dann die Gebrechlichen, dann die Rollstuhlfahrer, wobei mir nicht ganz klar ist, wieso die noch einen Sitz brauchen, dann die Schwangeren und zuletzt die Mütter mit Kind.
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Die Tempel und Klöster werden nicht über Steuern finanziert, sondern ausschließlich über Spenden. Spenden sind gute Taten – TAM BOON – und die werden auf das nächste Leben angerechnet. Die Mönche haben im täglichen Leben der Thais viele Aufgaben. Sie segnen den neuen Laden und das neue Auto, geben Rat, an welchem Termin ein wichtiges Geschäft abgeschlossen wird, und sind für alle Familienangelegenheiten zuständig. Als Gegenleistung gibt es Spenden für den Tempel, und die Mönche werden reichlich bewirtet. Die Bewirtung muss aber früh am Morgen geschehen, weil die Mönche nur bis 12 Uhr essen dürfen, den Rest des Tages müssen sie fasten. Früher verbrannten die Tempel die Toten auf großen Scheiterhaufen, jetzt haben alle Tempel ein Krematorium. Wenn der Verstorbene eine große Familie hat, wir die Einäscherung auch zu einem großen Fest, das erst zu Ende ist, wenn man die Asche des Verstorbenen mit nach Hause nehmen kann.
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Tempelraum (BOT) des WAT PHRA KEO, des wichtigsten buddhistischen Tempels Thailand. Das Gebäude beherbergt den „Smaragdbuddha“, die bedeutendste Buddha-Statue des Landes



Herzliche Grüße und allen eine gute erste Februarwoche.

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08.02.15



14 - Abschied in Thailand – Renés Cremation
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Diese Mönche, aufgereiht an der Seite der Halle, vollzogen am letzten Mittwoch den buddhistischen Ritus von Renés „Cremation“. (Wörter wie Beerdigung oder Begräbnis sind ganz unpassend – wie auch im Deutschen, wenn es um eine Feuerbestattung geht.) Nachdem jedem eine Flasche mit einem Milchgetränk überreicht worden war, trinkbereit mit einem Strohhalm, und ein rituelles Geschenk, fielen sie in einen Sprechgesang, der etwa zehn Minuten andauerte. Dann standen etliche ganz unzeremoniell auf und gingen zu einer Art Podest, wo zwischen den Blumenarrangements des Tempels (alle künstlich) Renés Bild hing und drei frische Kränze von Freunden. Erst da sah ich den durch die Blumen verdeckten goldenen Schrein, größer als ein normaler Sarg. Zwei Mönche öffneten den Schrein an der Schmalseite und zogen den in ein Tuch gewickelten René heraus und schoben ihn auf ein großes, helles Blech mit Griffen. Die Trauergäste, etwa 80 an der Zahl – überwiegend Farangs, begannen aufzustehen und heranzukommen. Mehrere Freunde trugen mit den Mönchen zusammen die Bahre über ein paar Stufen höher auf das nächste Podest. Unvertraut mit den Abläufen wurde mir erst jetzt klar, dass die große, hell blinkende Metall-Fläche, die die Halle an der Stirnseite zu Zweidritteln begrenzte der Ofen war. Ein kleines, durch einen Schuber zu verschließendes Fach war geöffnet; dorthinein schoben sie die Bahre. Und dann ergab sich das Bild, das wohl niemand, der dabei gewesen ist, vergessen wird. Das Leichentuch, auf thailändische Körpermaße zugeschnitten, war für René zu kurz gewesen. So war das Letzte, was alle von René sahen, die grellbunten Sohlen seiner nagelneuen Rennradschuhe. Er hatte sie erst wenige Tage vorher gekauft, und, da sie teuer waren, und er sie sich eigentlich gar nicht leisten konnte, sich sehr darüber gefreut. So wie er vom Rennrad gefallen war, in voller Montur und mit seinen nagelneuen Schuhen übergaben sie ihn dem Feuer. Mönche reichten Körbe mit kleinen weißen Papierblumen herum, die wir an einer Flamme anzündeten und ihm brennend auf die Beine warfen. Als die letzte kleine Flamme geworfen war, schlossen die Mönche die Ofentür, und wir verließen den Tempel. Heute, am Sonntag, gibt es ein Jazz Konzert zu René Maruggs Ehren. Keinen Blues sondern was Fröhliches hätte er sich gewünscht.
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Ich habe natürlich auch geschrieben. Ohne Schreiben geht es nicht. Auch das letzte Kapitel ist geboren, noch sehr unfertig und entwicklungsbedürftig, aber wenn ich morgen wie René tot umfalle, könnte man sehen, wie das Buch enden sollte. Hier als Leseprobe der Anfang des Kapitels:

Seit einer Woche hing im Glaskasten vor dem Standesamt Bremen-Mitte in der Hollerallee das Aufgebot. Dorothee Hanloe und Patrick Schondorf taten öffentlich kund, dass sie beabsichtigten, miteinander die Ehe zu schließen. Wenn Marlies mit dem Rad vorbeikam, stieg sie immer ab und las der Reihe nach die Namen aller Aufgebote. Dodo und Pat kamen als dritte in der zweiten Reihe. Nur ein Aufgebot unter anderen, nichts Besonderes, nichts Aufsehen Erregendes, nichts Strafbares oder sonst irgendwie Anrüchiges. Dodos Geburtsschein als das wichtigste Dokument, das sie zur Anmeldung der Ehe vorgelegt hatte, war von Amtswegen in Hammelsfleth, Landkreis Oldenburg, Niedersachsen ausgestellt. Alles hatte seine Richtigkeit, und niemand, der zufällig vorbeikam, stutzte und schrie: Das ist gar nicht Dorothee Hanloe! Man hätte ihn wahrscheinlich auch nur ausgelacht, genauso wie diesen Ryan, Lindys Bruder, dessen armer Geist viel weniger von Drogen zerstört war, als alle annahmen. Niemand hegte Zweifel, die einzige, von Zweifeln Befallene war sie. Es würde kein Ende nehmen, solange sie lebte.


Ich grüße alle und wünsch eine gute Woche.

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15.02.15



15 - Vom Halbieren und Verdoppeln – Farang meets Thai

Ein nie versiegendes Gesprächsthema unter Farangs ist die Frage, warum Thais so sind, wie sie sind. Die Männer erleben häufig Ent-Täuschungen mit Thai-Frauen, von denen sie sich finanziell ausgenutzt fühlen, diejenigen Farangs, die Thais beschäftigen, klagen über deren Unzuverlässigkeit – um nur einen Hauptpunkt zu nennen. Als jemand, der psychoanalytisch denkt, fühle ich mich da jedes Mal herausgefordert. Folgendes ist mir dazu eingefallen, wobei es eher skizzenhafte, erste Überlegungen sind.

Europa hat eine Kultur des Individualismus. Keimzelle der Gesellschaft ist das Individuum. Sehr viele Begriffe – Ehrgeiz, Verantwortung, Zuverlässigkeit – setzen ein Ich voraus, das von sich selber ein Bild der Entwicklung hat, ein Ich, das etwas werden will, das sich Ziele setzt. Psychoanalytisch kann man sagen, dass zum Individuum europäischer Prägung immer auch ein Ideal-Ich oder Selbstideal gehört. Thailand (ich weiß nicht, wie es in anderen asiatischen Staaten ist) hat eine Kultur des Gemeinwesens; der Einzelne begreift sich als Teil seiner Gruppe und findet darin seine Identität, er will nichts mehr werden, sein Trachten geht einzig darauf, seinen Platz in der Gruppe gut auszufüllen. So klagen die Farangs über die Thais, sie wollten nicht lernen, hätten keinen Willen, wüssten nicht, was sie wollen, hätten keine Ordnung. Aber sie legen damit einen europäischen Maßstab an, der hier überhaupt nicht passt.

Ein Alltagsbeispiel zum Thema Ordnung: Der thailändische Mitbenutzer der Küche stellt das, was er gebraucht hat, überall ab und wundert sich überhaupt nicht, dass z. B. der Kaffee morgens immer an derselben Stelle zu finden ist. Wenn die Dose mit dem löslichen Kaffee da nicht wäre, auch nicht schlimm, dann würde er sie eben suchen gehen. Thais halten es für normal, dass man Dinge suchen muss, täglich, man hat ja Zeit: Die Schlüssel, das Portemonnaie, die Einkäufe vom Vortag, das Handy – das vor allem. Ein Problem entsteht erst, wenn ein Farang dazukommt, der pünktlich das Haus verlassen will. So wird hier unter Farangs bei der Festsetzung von Terminen oft hinzugefügt: Farang-Zeit, bitte, nicht Thaizeit.
Ein anderes Alltagsbeispiel zum Thema lernen. Ein junger Mann vom Service in einem Restaurant beklagt sich, dass er so viel laufen muss. Sein deutscher Chef schlägt ihm vor, er solle doch einfach, wenn er serviert hat, auf dem Rückweg gleich gebrauchtes Geschirr mitnehmen, das würde seine Laufwege halbieren und ihm seine Arbeit erleichtern. Der Chef hätte sich diesen Vorschlag sparen können, denn schon der Ansatz ist so europäisch, dass der junge Thai ihn nicht versteht. Es ist nicht nämlich nicht seine Arbeit, für die er etwa verantwortlich ist, sondern es ist einfach Arbeit, und Arbeit ist immer etwas Mühseliges, das kein Sanuck (Spass) bringt, und er wird doch nicht so blöd sein und sie noch verdoppeln, indem er statt mit leeren Händen mit vollen zurück zur Küche geht.

Das Prinzip der Effektivität, das Wirtschaft und Politik in allen wettbewerbsorientierten Ländern beherrscht, bleibt da natürlich auf der Strecke. Es gibt hier viele Stimmen, sogar aus dem königlichen Umfeld, die sich Sorgen machen, ob Thailand nicht die Zeichen der Zeit verschläft. Das Schulsystem ist veraltet. Mehrfach haben mir Bekannte, die in Thailand leben, von eine Reise nach Malaysia berichtet: wie gut die Schul-Ausbildung sei, selbst die einfachsten Leute sprächen gut Englisch (wovon in Thailand keine Rede sein kann) und wie sauber und hübsch dort alles sei.

Dies sind nur ein paar subjektive Beobachtungen. Die Zusammenhänge sind wahrscheinlich viel komplizierter. Ich werde sie – auch jetzt, wo mein Buch fertig ist, und ich mehr Zeit habe – nicht mehr durchdringen. Ich bin manchmal schon in Gedanken beim Kofferpacken. Zwei ganze Wochen liegen nur noch vor mir. Es wird mir schwer fallen, in den Bus zu steigen, der mich nach Bangkok zum Flughafen bringt. Noch kann ich mir nicht vorstellen, dass ich wieder Strümpfe anziehen muss.

Bestellt mir bitte Frühling, wenn ich komme.
Herzliche Grüße und gute Wünsche an alle.

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Vier Thai Mädchen in ihren adretten Schuluniformen auf dem Weg zur Schule

22.02.15



16 - Europäer wollen immer Recht behalten, und Thais machen nie Fehler

Seit Wochen habe ich keinen Sonnenaufgang über dem Meer mehr gesehen. Jeder Tag beginnt windstill, grau und wolkenverhangen. Aber spätestens um elf Uhr ist der Himmel blitzeblau, und das sachte Lüftchen, das sich etwa gegen neun erhebt, hat sich zu einem warmen Sturm entwickelt. Das freut besonders die Kitesurfer. An meinem Strandabschnitt sind zwei Surf-Schulen, zu denen ich ein etwas zwiespältiges Verhältnis habe. Ihre farbenfreudigen Kites am Himmel geben durchaus ein beeindruckendes Bild ab, aber wenn sie mir beim Baden mit ihren Boards zu nahe kommen, verfluche ich sie. Von den Profis kann man ja annehmen, dass sie ihren Kites steuern können, aber die vielen Anfänger besorgen mich. Es sieht auch sehr dekorativ aus, wenn die Kites wie große müde Tiere am Strand ruhen.
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Noch eine kleine Fortsetzung zu dem Thema „Farang meets Thai“ von der letzten Woche. Die vielen scheinbar unlogischen und unvernünftigen Verhaltensweisen der Thais klären sich schnell auf, wenn man begreift, dass für sie „das Gesicht“ im Zentrum ihrer Welt steht. Für einen Europäer ist das wahrscheinlich mit „Ansehen“ am besten zu übersetzen. Alles wird danach beurteilt, ob es das Ansehen (Stellung, Vermögen, Kleidung) mehrt, oder gar herabsetzt. Das Gesicht zu verlieren, ist so ziemlich das Schlimmste, das einem Thai zustoßen kann. Das Gesicht zu bewahren, bedeutet vor allem, sich und andere Leute nicht in Verlegenheit zu bringen. Das hat weitreichende Folgen und wirkt sich geradezu als Bremse für gesellschaftliche Entwicklung aus. Man darf einen Thai nicht kritisieren, schon gar nicht in Gegenwart Dritter. Thais wollen nie zugeben, dass sie etwas falsch gemacht haben, das wäre ein Gesichtsverlust. Fehlerkorrektur im Arbeitsleben ist so gut wie unmöglich. Es gibt Beobachter, die behaupten die hohe Zahl der Morde in Thailand beruhe auf Racheakten für Gesichtsverlust.

Wenn man in Thailands ein Tourist mit zuverlässig fließenden Bezügen ist, kann man die Schönheiten des Landes und die Freundlichkeit seiner Menschen genießen, aber wenn man hier arbeiten und Geld verdienen will, wird es sehr, sehr schwierig. Europäer wollen immer Recht behalten und Thais machen nie Fehler – da sind die Konflikte programmiert.

Wahrscheinlich ist das schon so etwas wie ein Schlusswort. Ob ich am nächsten Wochenende, zwei Tage vor Abflug, noch zu einem allerletzten Blog kommen werde, ist ungewiss. Ich schließe mit einem Foto von einem Bambushain. Ein "Wald" von einer bezaubernden Leichtigkeit.

Ich grüße alle, die hier mitgelesen haben, herzlich.

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09.03.15



17 - Der erste Frühlingstag in Lübeck

Ich bin noch gerade rechtzeitig zurück nach Lübeck gekommen, um den ersten Frühlingstag zu erleben. Der letzte Blog Eintrag war tatsächlich der letzte aus Hua Hin und erst im nächsten Winter geht es weiter. Am Montag, den 2.3. nachmittags räumte ich mein Apartment. Ein ganzer Hausstand hatte sich angesammelt. Glücklicherweise kann ich den größten Teil meiner Anschaffungen bei Freunden lagern, bis ich wiederkomme. Von da ab hieß es nur noch: warten: aufs Taxi, das mich in gut drei Stunden zum Flughafen nach Bangkok brachte, in langen Schlangen vor den Schaltern zum Einchecken, desgleichen vor der Security und der Passkontrolle, schließlich am Gate, von wo der Flieger endlich um 12:40, da hatten wir schon Dienstag, startete. Dann hatte ich Glück: Der einzige freie Platz im ganzen Flugzeug war links neben mir. Also habe ich ganz komfortabel geschlafen, und bevor ich noch richtig wach war, waren wir schon im Anflug auf München. Ich fliege immer mit Thai Air Nonstop, und noch nie war der Flieger pünktlich, er landet immer früher als angegeben, diesmal um 6:15 statt 6:45. Wahrscheinlich ist das ein psychologischer Trick. Auf diese Weise sind die Passagiere immer glücklich. Passkontrolle in Deutschland: ruckzuck – aber der Koffer. Meiner ist der vorletzte, gegen halb 8 bin ich endlich draußen, wo mich meine Freundin erwartet. Die beißend kalte Luft in meiner Nase ist eine Zumutung. Dreiviertelstunde S-Bahn vom Flughafen in die Stadt, ein Erzähltag in München, eine ganz ordentliche deutsche Nacht unter dem Einfluss von Drogen und am Mittwoch sieben Stunden Zugfahrt von München nach Lübeck. Wahrlich eine lange Reise, aber nicht lang genug für meine Seele, die immer noch hinterherreist. Es sind zwei Welten, in keiner von beiden ist die andere wirklich vorstellbar.
Mein Garten empfängt mich mit 14 Maulwurfshügeln. Meiner bitteren Klage über die Verunstaltung meines Rasens während meiner Abwesenheit, begegnen die Freunde in Hua Hin mit dem Hinweis, in Thailand gäbe es keine Maulwürfe. Was im Klartext heißen soll, komm doch einfach ganz nach Hua Hin, da hast du keine Probleme. Zum Trost steht in meinem Wintergarten die Clivia in voller Blüte. Und heute gab es laue Frühlingslüftchen in die Nase. Vielleicht noch eine richtige Nacht ohne Drogen – und ich bin angekommen. Damit ist meine Bloggerei zum Thema Überwintern in Thailand zu Ende. Unregelmäßig werde ich neben sonstigen Ankündigungen, wenn mir etwas Gescheites einfallen sollte, sonntags ein kleines Blögchen schreiben.
Grüße an alle und Dank fürs Mitlesen.
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2015-2023 DHD
Release 17.1.3

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